Was macht es mit dem Hundebesitzer, wenn der Hund nicht so „funktioniert“ und andere über ihn urteilen?

 

Es ist mir ein persönliches Anliegen, diesen Artikel für so viele Menschen zu schreiben, die das schon mal erlebt haben oder vielleicht sogar täglich in der gleichen Situation sind, wie ich es - geplant - war.

 

 

Zu mir kommen viele verzweifelte Menschen, die einen Hund haben, der die Erwartungen unserer Gesellschaft nicht erfüllt.

 

Hast Du auch so einen? Oder hast Du den Vorzeigehund, bei dem jeder sagt: Oh, den hast Du aber toll erzogen?

 

Dann freut mich das sehr. Solche Hunde habe ich auch.

 

Aber da gibt es auch noch die Anderen. Und bin ich deswegen ein schlechterer Hundeführer bei „so einem“ Hund? Warum ist der so auffällig und die anderen sind so toll?

 

Naja, sagen wir es mal so. Viele von uns, die mit Hunden arbeiten, haben Hunde, die nicht so recht in die Gesellschaft passen. Manche kriegt man wieder so einigermaßen hin, andere haben ein lebenslanges Thema mit sich herumzutragen.

 

Auch das gibt es.

 

Was veranlasst mich nun, diesen Blogartikel zu schreiben?

 

Ich habe ja die Überschrift gewählt, was es mit dem Hundebesitzer macht, wenn man einen solchen Hund hat, der irgendwie nicht so funktioniert „wie er soll“. Doch wer bestimmt das?

 

Ich selbst? Oder eher die Gesellschaft?

 

Ich habe einen Hund, der kam zu mir mit einem riesigen Rucksack voller Themen, die „nicht gesellschaftstauglich waren“. Deshalb wurde er abgegeben.

 

Nach Ursachen wurde da weniger geschaut, die Symptome sollten weg, zur Not auch mit Medikamenten. Und versteht mich nicht falsch. Die Vorbesitzer haben diesen Hund geliebt und „wollten nur das Beste“. Aber in der Verzweiflung waren erst mal alle Möglichkeiten recht. Und sie haben das einzig Richtige getan. Ihn abgegeben. Denn die Ursache war der Alltag, die Reize in einer Großstadt, die die arme Maus nicht verarbeiten konnte. Und sicherlich können Medikamente unterstützen, aber sie ändern keine Ursache.

 

Und ich bin sehr dankbar.

 

Dafür, dass der Vorbesitzer offen und ehrlich mit mir kommuniziert hat. Ich wusste, naja so ein bisschen…, was auf mich zukommen wird. Und dankbar, dass er erkannt hat, dass es für ihn und den Hund nur eine Lösung geben kann, weil man schon alles Machbare versucht hat und immer wieder Rückschläge erleben musste. Das geht an die Substanz.

 

Ein Hund mit 2 Gesichtern.

 

Verschmust, liebevoll, permanent Körpernähe suchend, Halt finden wollend, viel Liebe gebend, sehr leise. Und in Stress-Situationen arschig, biestig, krawallig, bellend, fordernd und laut.

 

 Ein Bürohund braucht für den Büroschlaf angemessen einen schönen Bürostuhl ;-)

 

Meine Mission: den Stress reduzieren und auf ein erträgliches Maß runterschrauben, Reize verarbeitbar machen, den Tag so ein bisschen um den Hund herumbauen, bis es besser wird.

 

Wenn es besser wird…

 

In meinem Fall kann ich sagen: es wird. Aber wenn ich mir vorstelle, dieser Hund in unerfahrene oder überforderte Hände, das wäre wieder Stress pur für Mensch und Hund.

 

Und ich kann diese Entscheidung so gut nachvollziehen, die mit der Abgabe getroffen wurde, für den Mensch und sein Wohlbefinden. Denn hier nutzt es nichts, wenn man mit aller Gewalt den Hund behalten hätte, da wäre niemandem geholfen gewesen.

 

Und diese Gedanken haben so viele meiner Kunden.

 

Und was da nicht bedacht wird, von Menschen, die einen tollen Hund haben und keinerlei Probleme im Alltag mit ihrem Hund haben:

 

Wie geht es wohl diesem Menschen, wenn er Worte hören muss, wie:

 

„Na, Sie haben aber einen aggressiven Hund“

 

Wenn er Blicke entgegengebracht bekommt, die ausdrücken: „Dem Hund gehört mal richtig die Meinung gesagt, das kann doch so nicht sein, dass der sich so aufführt.“

 

„Warum bellt der meinen ach so tollen Hund jetzt an, der hat doch gar nicht gemacht“.

 

Ja, das kann sein.

 

In meinem Fall bin ich sehr relaxt. Einfach deswegen, weil ich weiß, wie es mal war – nämlich schlimmer. Und ich kann keine Auswirkungen eines schlechten Züchters und 1 Jahr Dauerstress in einer überfordernden, reizüberfluteten Welt innerhalb ein paar Wochen wegzaubern.

 

Und ich muss abwägen: packe ich den Hund in Watte oder setze ich ihn ab und zu ein paar Reizen aus, um zu sehen, wo wir stehen?

 

Nicht täglich, aber ab und zu. Dazu gehört auch mal ein Tierarztbesuch, den ich 3 Monate rausgezögert habe, um dann sehen zu müssen, was die vielen (vorangegangen) Tierarztbesuche mit dem Hund gemacht haben. Ich stand mit einem schreienden Häufchen Hund in der Praxis. Aber ich bin dankbar für die Tierärzte und Tierarzthelferinnen, die genau wie ich, cool geblieben sind.

 

Ich habe aber die Blicke der anderen Patientenbesitzer gesehen, die mich und meinen Hund abfällig angeschaut haben.

Und da habe ich mich gefragt: Was macht das mit einem Hundebesitzer, der ebenfalls wie ich so einen Hund hat?

 

Wut? Scham? Rechtfertigungswünsche? Traurigkeit? Mitleid?

 

Auf jeden Fall fühlt er sich schlecht.

 

Wie ist das mit der Stimmungsübertragung nochmal?

 

Und genau in diesem Zusammenhang möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass es hier eine Stimmungsübertragung gibt. D.h. dass mein Hund merkt, wie ich mich da gerade fühle. Das macht seine Stimmung bei negativen Emotionen meinerseits nicht besser.

 

Ich war wie gesagt ziemlich relaxt. Mein Umfeld auch, das hat geholfen.

 

So geht es aber leider nicht jedem.

 

Und wenn Du einen Hund hast, der ein Vorzeigeobjekt ist, freu Dich und biete dem Menschen mit dem "anderen" Hund echter Hilfe an. Wenn Du es ehrlich meinst, wenn Du nicht denkst, dass der andere seinen Hund wohl nicht im Griff hat. Du kannst es nicht wissen, warum der Hund so ist.

 

Und ja, vielleicht liegt es am Besitzer. Aber auch dann wirst Du durch Dein Verhalten das Ganze nicht verbessern.

 

Wie kannst Du helfen? 

 

Frag im Wartezimmer des Tierarztes, ob Du einen Stuhl weiter rücken kannst, damit man besser an Dir vorbeilaufen kann oder der Abstand zum Sitzen einfach vergrößert werden kann. Das würde schon helfen.

 

Verurteile einen Hund, der schreiend und kreischend in der Leine hängt, nicht. Auch nicht den Besitzer. Vielleicht geht es ihm gerade so wie mir in der Situation, dass ich mal ausprobiert habe, ob ich schon an anderen Menschen entspannt vorbeilaufen kann oder ob der Reiz der Bewegung oder der Frust, nicht hin zu dürfen, einfach noch zu groß ist.

 

Für mich resultierte daraus eine wichtige Information, noch kleinere Schritte zu machen. Noch mehr Rücksicht zu nehmen, was geht und was (noch) nicht.

 

Indem Du Hundebesitzer verurteilst, weil der Hund ein Symptom zeigt, wird es garantiert nicht besser für diesen Menschen. Und noch was: dieser Mensch hat vielleicht schon die 3. Hundeschule durchlaufen, aber keiner konnte ihm helfen, da Ursachen oft nicht gesucht werden, sondern Symptome wegsollen. Und man dafür Methode für Methode durchprobiert, aber oft nicht das große Ganze angeschaut wird: Vorgeschichte, Gesundheit, Ernährung, Alltag, Beschäftigung etc. Und vor allem der Besitzer. Was braucht er, was würde ihm helfen? Manchmal sind es einfach nur die Gedanken, die man ändern möchte, damit man nicht schon Schweißgebadet vor die Tür tritt und Angst vor der nächsten Begegnung - mit was auch immer - hat.

 

Denn das merkt der Hund auch.

 

(Gegenseitige) Stimmungsübertragung, Hund als Spiegel der Seele des Beisitzers, Erfahrungen beeinflusst das Verhalten (auf beiden Seiten) – um nur mal ein paar Beispiele zu nennen, die in meine Arbeit reinspielen.

 

Und warum kann ich da so ruhig bleiben in meinem Fall?

 

Weil ich die Ursachen kenne und meinen Hund niemals dafür bestrafen werde, dass er diese Erfahrungen in seinem ersten Lebensjahr machen musste. Weil ich weiß, wo er herkommt und dafür nichts kann. Weil ich selbstbewusst genug bin, dass mich andere Meinungen nicht interessieren, denn nur ich alleine muss mit diesem Hund leben und zurechtkommen, kein Mensch, den ich auf der Straße treffe, hat das zu interessieren und zu beurteilen, selbstredend natürlich, dass ich ihn nicht in Gefahr bringe.

 

Und meine Gedanken sind bei den Menschen, die noch nicht die richtige Hundeschule gefunden haben, die den Hund ebenfalls nicht verurteilt oder schlicht einfach nicht weiß, wie sie den Mensch da mit einbinden soll. Ich verurteile den Besitzer nicht und schon gar nicht den Hund. Und ich habe viele Jahre damit verbracht, ganz viel über die menschliche Psyche zu lernen, was ebenfalls in meine Arbeit einfließt.

 

Und was ich noch erwähnen möchte: mein Hund führt sich an der Leine auf wie ein Gremlin, aber er liebt Menschen und andere Hunde, aber durch die Verurteilungen anderer Menschen, werde diese das nie erfahren.
Deshalb kommen Menschen zu mir. Handwerker, Kunden, Geschäftspartner, Freunde, die zwar laut, aber liebevoll empfangen werden, mit denen wird geschmust, gecoacht, gearbeitet. Ist halt keine Leine dran, die Frust erzeugt. Und genau das darf sie noch lernen. Und sie bekommt die Zeit dafür, die sie braucht.

 

Liebe Besitzer toller Hunde, hört auf zu verurteilen, zu schimpfen, zu beleidigen, abwertend zu schauen. Und hoffe unbedingt darauf, dass Dein nächster Hund nicht auch ein Problem hat, bei dem Du erfahren darfst, wie andere Menschen über Hunde urteilen, die „nicht in die Gesellschaft passen“.

 

Du hast so einen Hund, der „Anders“ ist, dann zögere nicht, mich zu kontaktieren.

 

 

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