Deinen erwachsenen Hund eingewöhnen - so gelingt es stressfrei
Die Entscheidung ist gefallen - ein Hund soll einziehen. Und plötzlich gibt es 1000 Fragen - und vor allem eine:
➡️ Hat man die Zeit (und Nerven) für einen Welpen?
➡️ Käme man mit einem pubertierenden Junghund zurecht?
➡️ Oder wäre ein erwachsener Hund die bessere Wahl?
Wie so oft gibt es für jede Entscheidung Vor- und Nachteile. Du hast dich für einen erwachsenen Hund entschieden – oder spielst mit dem Gedanken? Hier findest du wertvolle Infos, , wie du ihn eingewöhnen kannst. Damit euer gemeinsamer Start erfolgreich und stressfrei gelingt.
1. Einen erwachsenen Hund eingewöhnen - aber wann ist ein Hund eigentlich erwachsen?
Damit wir von den gleichen Voraussetzungen ausgehen, sollten wir kurz klären, was „erwachsener Hund“ bedeutet. Dabei unterscheidet man zwischen körperlicher und mentaler Reife. Beide Zeitpunkte fallen nicht unbedingt zusammen.

Körperlich ausgewachsen – was bedeutet das?
- Dies ist je nach Rasse bzw. Körpergröße unterschiedlich:
- kleine Hunde sind mit 6-8 Monaten ausgewachsen
- mittelgroße und größere Rassen brachen 9-15 Monate
- sehr große Hunde können bis zu 2 Jahren wachsen
- Bei Rassehunden kann man davon ausgehen, dass er ausgewachsen ist, wenn er das typische Rassegewicht und die übliche Rassengröße erreicht hat.
- Bei Mischlingen ist es schwerer einzuschätzen. Regelmäßiges Wiegen und Messen hilft, um festzustellen, ob das Wachstum abgeschlossen ist.
- Das Wachstum wird von vielen Dingen beeinflusst, zum Beispiel von Kastration, Ernährung, Bewegung und Gesundheit. Jeder dieser Faktoren spielt dabei eine wichtige Rolle.
Mental erwachsen – wann ist das soweit?
- Auch hier spielen Rasse und Größe eine Rolle. Hier eine grobe Übersicht:
- Kleine Rassen: ca. 1,5–2 Jahre
- Große Rassen: ca. 3–4 Jahre
Mein Artikel bezieht sich auf Hunde, die mental erwachsen sind.
2. Warum ein erwachsener Hund eine andere Eingewöhnung braucht als ein Welpe
Ein erwachsener Hund ist von seinen Erfahrungen geprägt
Das ist doch logisch, denkst du jetzt. Ein Welpe hat ganz andere Bedürfnisse als ein erwachsener Hund. In vielen Bereichen stimmt das, aber nicht immer. Besonders dann nicht, wenn er bisher wenig Lernerfahrungen gesammelt hat.
Stell dir mal vor, dein Hund kommt von der Straße. Er hatte vielleicht bisher keine Erfahrungen mit
👉 Leine und Halsband / Geschirr
👉 Leben in einem Haus und den damit verbundenen Geräuschen
👉 Kindern
👉 Menschen, die sich ungewohnt bewegen oder fremde Körperhaltungen einnehmen
👉 Im Haus alleine zu sein / eingesperrt zu sein
👉 Nähe zu Menschen / Vertrauen zu Menschen
👉 anderen Tieren im Haushalt
👉 Stubenreinheit
👉 Regeln und Routinen
👉 Zuneigung und Berührungen
👉 Fütterung
👉 Körperhygiene (z.B. gebadet werden)
👉 Körperliche Manipulationen (Tierarztbesuche, Ohren- und Krallenpflege, Bürsten…)
Daher kann es sinnvoll sein, einem erwachsenen Hund schrittweise das beizubringen, was man auch mit einem Welpen üben würde.
Ein erwachsener Hund handelt eher aus Erfahrung, statt aus Neugier
Ein Welpe entdeckt die Welt mit Neugier und nimmt neue Reize unbefangen wahr, da er noch keine Erfahrungen hat. Ein erwachsener Hund hingegen reagiert aus Erfahrung. Er weiß, welche Dinge sicher sind und welche nicht, basierend auf positiven oder negativen Erlebnissen. Während ein Welpe offen für alles ist, filtert ein erwachsener Hund Eindrücke durch seine Erfahrungen.
Daher hilft es, so viel wie möglich über die Vergangenheit des Hundes herauszufinden, idealerweise auch über die Elterntiere und deren Lebensumfeld. Denn nicht nur das, was der Hund gelernt hat, sondern auch die Erfahrungen der Elterntiere werden an die Nachkommen weitergegeben (Epigenetik).
Wenn die Elterntiere beispielsweise unter permanentem Stress gelebt haben, hat der Welpe bereits die Veranlagung in sich, schlecht mit Stress umgehen zu können.
Bei einem Tierschutzhund ist das leider ganz oft nicht bekannt. Deshalb kann man nicht mit Bestimmtheit sagen, dass beispielsweise ein Hund, der Angst vor Männern hat, selbst schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht hat. Viele Gründe können hier außerdem zugrunde liegen:
- es kann als Information von den Eltern weitergegeben worden sein
- es kann das sein, dass der Hund es bisher noch keine Männer kennenlernen konnte
- es kann sein, dass der Hund eine Beobachtung gemacht hat, wie ein anderer Hund schlecht von einem Mann behandelt wurde und es für sich als allgemeingültig abgeleitet hat. Hier spielen sogenannte Spiegelneuronen eine Rolle, die den Hund in die Lage versetzen können, es als selbst erlebt abzuspeichern - so wie wir den Schmerz nachempfinden können, wenn sich jemand in den Finger schneidet.
3. Deinen erwachsenen Hund eingewöhnen ohne Stress: Wie du Überforderung vermeidest

1. Beobachte sein Erkundungsverhalten
Jeder Hund hat sein eigenes Tempo, in dem er seine Umgebung erkundet. Ein erwachsener Hund geht neue Situationen oft vorsichtiger an. Lass ihn erstmal ankommen. Wenn er bereit ist, kannst du ihn langsam durch das neue Zuhause führen und ihm zeigen, wo er Wasser findet. Mehr braucht es zunächst nicht.
Respektiere, wenn er sich in eine ruhige Ecke zurückzieht, auch wenn das nicht der Platz ist, den du ihm gerne zugewiesen hättest.
Er muss sich erst mal mit der neuen Situation auseinandersetzen und ggf. seinen Stress von der Anreise abbauen.
Sollten Kinder im Haus sein, fällt es ihnen bestimmt schwer, den Neuankömmling nicht mit aller Liebe zu überschütten. Doch ein Ruheplatz sollte immer respektiert werden und es sollte ihn dort niemand stören.
Hat er sich zurückgezogen, kannst du ihm an diesem Ort auch etwas zu essen anbieten. Falls er es nicht sofort annimmt, drängle ihn nicht – möglicherweise beschäftigen ihn gerade andere Gedanken.
Ist dein Hund hingegen aufgeschlossen und neugierig, wird er wahrscheinlich sofort alles erkunden wollen. Hier solltest du ihm sofort zeigen, wo er sich aufhalten darf und wo nicht. Erlaube ihm am Anfang nichts, was du ihm nach einigen Tagen ‚Eingewöhnung‘ plötzlich verbietest. So kann er von Anfang an die Hausregeln lernen und fühlt sich sicher, weil er weiß, was er darf und was nicht.
2. Forder ihn - aber überfordere ihn nicht
Viele Hunde sind erst einmal überfordert, wenn ihr neues Umfeld sehr stark von ihrem bisherigen Lebensraum abweicht. Bei einem erwachsenen Hund, der viele Monate oder Jahre in seiner gewohnten Umgebung gelebt hat, bedeutet das, dass er auf die vielen neuen Reize gestresst reagieren kann.
Mach dir einen Plan, welche Themen du mit ihm angehen willst. Finde heraus, was für ihn kein Problem ist und wo er noch deine Unterstützung benötigt.
Aber beachte hierzu auch, dass auf jede stressige Erfahrung mindestens ein Ruhetag eingelegt werden sollte. Wie viel Stress und Ruhe deinem Hund guttut, das ist sehr individuell und es sollte der allgemeine Stresspegel des Hundes Berücksichtigung bei der Wochenplanung finden. Einem per se gechillten Hund kannst du mehr zumuten, als einem permanent gestressten Hund.
3. Bleib fair – auch wenn er deine Erwartungen nicht erfüllt
Vielleicht merkst du nach ein paar Wochen, dass dein Hund einige Themen in seinem Köfferchen mitgebracht hat, die er erst nach und nach auspackt. Anfangs war er vielleicht ruhig und zurückhaltend, doch plötzlich wird er lauter oder diskutiert mit dir. Vielleicht klappt das Alleinbleiben nicht mehr, er bellt beim Autofahren oder reagiert nun an der Leine auf andere Hunde.
Egal, was sich zeigt – bleib fair. Falls du dachtest, euer Zusammenleben würde sofort harmonisch und entspannt sein, kann es sich anders entwickeln. Gib ihm Zeit, hab Geduld – und hol dir Unterstützung, wenn du alleine nicht weiterkommst.
Oft lässt sich Verhalten leicht verändern, solange es sich noch nicht gefestigt hat. Unser eigenes Verhalten spielt dabei eine große Rolle. In einer Einzelstunde lässt sich das am besten klären, denn ein Gruppenkurs bietet oft nicht den passenden Rahmen. Wichtig ist, dass ihr als Mensch-Hund-Team betrachtet werdet, nicht nur du oder dein Hund alleine. Es geht nicht um „Schuld“, sondern um Lösungen.
Ursachenforschung ist immer nachhaltiger als reine Symptombekämpfung.
4. Laste deinen Hund sinnvoll aus
Sorge für einen ausgewogenen Anteil von Signalübungen, wie z.B. Sitz, Platz, Bleib, einer körperlichen und einer geistigen Auslastung. Immer nur Spaziergänge werden deinen Hund nicht glücklich machen.
Was genau für dich und deinen Hund als gemeinsame Beschäftigung sinnvoll ist, hängt u.a. vom Alter, der Rasse und den Vorlieben von euch beiden ab.
Wichtig ist:
- Achte darauf, dass es euch beiden Spaß macht. Oft ist es nämlich so, dass der Hund etwas machen soll, weil der Mensch es gerne so hätte, z.B. an Turnieren, Wettkämpfen oder Prüfungen teilzunehmen. Der Mensch möchte sich messen und Leistungen vorweisen. Wenn ein Hund dies entscheiden dürfte – er würde das ganz sicher abwählen. Ich sehe dort oft nur gestresste Hunde mit ihren gestressten Menschen. Das hat für mich keinen Spaß-Faktor.
- Genauso andersherum: Wenn du überhaupt keine Lust auf Gruppenkurse hast, dann zwinge dich nicht dazu. Geh lieber mit deinem Hund in den Wald und genießt gemeinsame Aktivitäten, die euch beiden Freude bereiten. Das kann ein Picknick auf einer Wiese sein oder eine entspannte Joggingrunde bei schönem Wetter.
Ideal ist es, wenn du dich nicht von anderen verunsichern lässt, wenn sie dir sagen, was das Beste für dich und deinen Hund wäre, sondern auf dein eigenes Bauchgefühl hörst.
Für keinen von euch sollte es in Stress ausarten.
5. Checke seinen Stresslevel - und fahre ihn runter
Zunächst einmal ist es wichtig, dass du erkennst, wann dein Hund Stress hat. Wie schlimm ist er? Wie lange hält er an? Hat dein Hund genügend Zeit, sich wieder zu entspannen, bevor neuer Stress hinzukommt?
Außerdem übertragen sich Stimmungen. Wie gestresst bist du selbst im Alltag? Bist du für deinen Hund ein gutes Vorbild in Sachen Ruhe, Entspannung und Geduld?
Wenn du deinen Hund beobachtest, wie es ihm geht, solltest du auch immer nach dir schauen. Unsere Hunde sind ein guter Spiegel, wie es wirklich in uns drinnen aussieht. Da darf man hinschauen. Erwarte nichts von deinem Hund, was du selbst nicht vorlebst.
Ist dein Hund bereits gestresst bei dir angekommen, solltest du zusätzlichen Stress vermeiden. Alles, was dir hilft, Stress abzubauen, wird auch ihm guttun – mit einer Ausnahme: Wenn dein Hund von Außenreizen schnell überfordert ist, sind lange, abwechslungsreiche Spaziergänge mit vielen Eindrücken keine gute Lösung. Auch wenn es für dich entspannend ist, kann es für ihn zu viel sein.
6. Prüfe deine Erwartungshaltung - kann er sie erfüllen?
Überlege dir, welche Erwartungen du hattest, als du dich für deinen Hund entschieden hast. Hattest du romantische Spaziergänge im Kopf oder gemütliche Kuschelzeiten auf der Couch? Wolltest du einen Spielkameraden für die Kinder oder einen Begleiter für die Arbeit?
Hat sich alles so entwickelt, wie du es dir vorgestellt hast? Wenn ja, super! Wenn nein, dann reflektiere, welche Erwartungen du vielleicht ohne Rücksicht auf seine Fähigkeiten hattest. Und was, wenn er diese Erwartungen niemals erfüllen kann? Kannst du ihn trotzdem im Rahmen seiner Möglichkeiten fördern und deine Erwartungen anpassen? Oder soll sich der Hund komplett anpassen?
Indem du deine Erwartungen hinterfragst, fällt es leichter, zufrieden zu sein. Wenn es besser wird als erwartet, freut es dich umso mehr – wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Denke daran, dass dein Hund ein Individuum ist, das sich nicht aussuchen konnte, wo es künftig lebt. Gib ihm die Möglichkeit, dir zu zeigen, was er in der Lage ist zu leisten – auch wenn es nicht deinen ursprünglichen Vorstellungen entspricht.
4. Regeln, Grenzen und Strukturen geben deinem Hund in der Eingewöhnungsphase Sicherheit
Auch wenn dein erwachsener Hund erst ganz frisch eingezogen ist, solltest du von Anfang an Regeln aufstellen und Grenzen setzen. Das gibt ihm Sicherheit. Oft verbinden wir mit Regeln und Grenzen Einschränkungen oder in unserer Biografie haben wir negative Themen damit verknüpft. Unser Hund nicht, daher sag ihm klar, was er darf (dann darf er es immer) und was nicht (dann darf er es nie). Er wird sich darüber freuen, wenn du ihm klare Strukturen schaffst.

Tipp 1: Verzichte auf Mitleid
Wenn du denkst, dass es deinem Hund schlecht geht, wenn er deine Regeln befolgen soll, weil er doch bisher ein nicht so schönes Leben hatte, dann ist das der falsche Ansatz und nicht zielführend.
Der Hund kannte es bisher nicht anders, für ihn ist es aktuell viel schlimmer, aus seiner gewohnten Umgebung rausgerissen zu sein - mit Menschen, die er noch nicht einschätzen und denen er noch nicht vertrauen kann.
Und genau da setzen wir ihm auf seinem Weg „Leitplanken“, zwischen denen er sich frei bewegen kann und die ihm das Gefühl geben, in Sicherheit zu sein.
Tipp 2: Übernehme die Führung
Wenn du die Einstellung hast, keine Führungsperson sein zu wollen, kann das für deinen Hund schwierig werden – denn er braucht jemanden, der ihn sicher durchs Leben führt.
Oft stecken dahinter Glaubenssätze, die aus eigenen Erfahrungen mit Chefs oder Führungskräften stammen. Doch du musst nicht so handeln, wie die Vorgesetzten, die du bisher kanntest.
Führung kann ruhig und souverän sein. Wer Machtspielchen spielt, laut wird oder Unsicherheit verbreitet, zeigt damit nur eigene Schwächen. Sei ein besserer Chef für deinen Hund – einer, der mit Klarheit und Vertrauen führt.
Tipp 3: Schätze Angst realistisch ein
Oft werden diese Begriffe gleichgesetzt. Wurde dir gesagt, dass du einen Angsthund hast? Das solltest du hinterfragen, denn je nach Einschätzung ist eine ganz andere Herangehensweise nötig:
Hunde spiegeln uns Menschen. Wenn dein Hund von einer ebenfalls unsicheren Person kommt (Vorbesitzer oder Pflegestelle) könnte es auch sein, dass sich das auf den Hund übertragen hat und er sich bei dir ganz anders entwickelt
Echte Angst erkennst du daran, dass der Hund nicht mehr ansprechbar ist. Er hat einen Tunnelblick, sein Überlebensmodus schaltet sich ein, und er ist nicht zugänglich. Falls ein Trauma dahintersteckt, solltest du dir professionelle Unterstützung holen.
Unsicherheit hingegen kann man überwinden. Mit Geduld und Gewöhnung an neue Situationen, Menschen oder Umweltreize kann dein Hund Vertrauen aufbauen. Ist er zudem neugierig, wird das umso leichter.
Auch du spielst eine große Rolle dabei, wie sich dein Hund entwickelt. Dazu später mehr.
Tipp 4: Schaffe Sicherheit durch Vorhersehbarkeit
Wenn du immer gleich handelst in den gleichen Situationen, wird sich dein Hund auf dich verlassen können. Du wirst einschätzbar und er kann sich sicher fühlen.
Das bedeutet, dass du ihm heute nicht erlauben solltest, auf die Couch zu kommen, weil du gerne kuscheln möchtest, du ihn aber morgen auf seinen Platz schickst, weil er jetzt gerade nicht gewünscht ist. Handle nach dem Leitsatz: wenn er es darf, darf er es immer, wenn er es nicht darf, darf er es nie.
Natürlich darf es Ausnahmen geben, weil gerade eine Situation eintritt, die es nötig macht, anders zu handeln. Da wären wir dann wieder beim Thema Grenzen setzen – und ob dein Hund es akzeptiert, dass du sie setzt. Aber entscheide dich nicht jedes Mal immer wieder neu - weil dein Hund das nicht verstehen kann und immer unsicher sein wird, ob er es jetzt nun darf oder nicht.
Tipps 5: Laufe deinem Hund nicht ständig hinterher
Wenn du deinem Hund immer alle Wünsche von den Augen abliest, weil er ja eine so schlimme Zeit hinter sich hat und er es doch jetzt besonders gut haben soll, tust du ihm keinen Gefallen. Hunde müssen lernen, mit Frust umzugehen.
Vielleicht hast du einen Hund, der das nicht gelernt hat. Im Verhalten äußert er dann seinen Unmut beispielsweise durch Anbellen von Hunden, wenn er nicht hin darf, Zerstören von Gegenständen, wenn er seinen Willen nicht bekommt oder er schnappt und maßregelt dich.
Auch wenn du ihm ständig Aufmerksamkeit schenkst, könnte er glauben, dass du ihn brauchst – und nicht umgekehrt. So entstehen oft die „Kontrolletti-Hunde“, die denken, ihre Besitzer kämen ohne sie nicht zurecht. Diese ständige Aufmerksamkeit ist alles andere als souverän und lässt ihn an deinen Führungsqualitäten zweifeln.
5. Welche Rolle dein eigenes Verhalten in der Eingewöhnungsphase hat
Wie schon im letzten Abschnitt angesprochen, solltest du einige Verhaltensweisen bewusst vermeiden oder anpassen. Hier sind ein paar Punkte, die du dir anschauen solltest:

1. Dein Hund spiegelt dein Verhalten
Was erwartest du von deinem Hund, was du selbst auch vorleben kannst?
Hunde sind der Spiegel des Besitzers und wenn deine Stimmung beispielsweise gestresst ist, kannst du nicht erwarten, dass dein Hund ein gechillter Couchpotato ist.
Liegst du lieber auf dem Sofa, als jeden Tag in einen anderen Hundeschul-Kurs zu rennen, weil der Hund das vermeintlich so braucht (Anmerkung. Er braucht das nicht!) – dann geh doch einfach nicht hin. Denk dran, dass es euch beiden Spaß machen sollte.
2. Dein Hund vertraut dir nur, wenn du es selbst tust
Du erwartest, dass dein Hund dir blind vertrauen soll. Aber wie sieht es mit deinem eigenen Vertrauen in dich aus?
Bist du selbstbewusst und weißt, was du willst oder fragst du lieber 10 Mal nach, um Fehler zu vermeiden, die du dann auch noch selbst verantworten müsstest?
Je nachdem, wie deine Antwort ist, bekommst du den Spiegel von deinem Hund vorgehalten. Unsichere Hunde profitieren am meisten von selbstbewussten Haltern. Bist du eher unsicher und hast dich für einen unsicheren Hund entschieden, solltest du an deinem Selbstvertrauen arbeiten, damit du deinem Hund ein gutes Vorbild sein kannst.
3. Übernimm die Führung, bevor dein Hund es tut!
Es ist ein Irrglaube, dass Hunde uns nur dann wahrnehmen, wenn wir mit ihnen aktiv interagieren. Sie beobachten uns 24/7 bzw. die Zeit, die wir mit ihnen zusammen sind.
Sie merken,
✔️ ob wir eher ausgeglichen und ruhig sind
✔️ ob wir im Alltag generell unsere Grenzen kennen und sie auch gegen Dritte wahren und uns abgrenzen können
✔️ ob wir geduldig sind
✔️ wie klar wir kommunizieren
✔️ ob wir Konflikte aushalten und souverän austragen können
Wenn wir diese Aufgaben nicht übernehmen, übernimmt der Hund sie – aus seiner Sicht – zu seinem eigenen Schutz. Oft ist das der Moment, wenn Kunden zu mir kommen, weil ihr Hund ein Verhalten zeigt, das ihnen nicht gefällt.
4. Ist dein Hund charakterlich wirklich so - oder was steckt dahinter?
Es könnte sein, dass dein Hund gar nicht der extrovertierte, laute Typ ist, der ständig alles zerstört, nicht alleine bleiben kann und dir überall hin folgt.
Vielleicht ist er einfach mit der neuen Situation überfordert.
Es lohnt sich, dies zu hinterfragen. Gerade erwachsene Hunde gleichen ihre Erfahrungen mit dem Hier und Jetzt ab und passen ihr Verhalten an die aktuellen Gegebenheiten an.
Was möchte dir dein Hund wirklich mitteilen?
5. Was ist besser: Leckerlis oder Führung?
Noch ein Lieblingsthema von mir: Oft wird die Führung an das Leckerli abgegeben. Kekse in der Tasche und die Hand, die bereits automatisiert dort reingreift, damit der Hund schaut oder zum Besitzer kommt, wenn er gerufen wird. Super.
Aber kaum kommt ein Reiz, der interessanter ist, als die Brocken Trockenfutter oder der gute Käse / die Fleischwurst, wird der Halter ausgeblendet. Warum? Weil der Hund damit bestochen wird und nicht geführt.
Führung bedeutet, sich nicht vom Leckerli abhängig zu machen, sondern selbstwirksam zu sein. Und das muss man wollen und auch leben. Dein Hund wird das jeden Tag aufs Neue überprüfen und hinterfragen. Wichtig ist, dass du dir bewusst bist, was Führung ausmacht und es jeden Tag lebst.
6. Deinen erwachsenen Hund eingewöhnen: Wann professionelle Unterstützung sinnvoll sein kann
- Idealerweise, bevor Probleme entstehen, vor allem als Ersthundebesitzer
- Wenn du Schwierigkeiten hast, die Körpersprache deines Hundes richtig zu deuten.
- Wenn du Stressanzeichen deines Hundes noch nicht gut erkennen kannst.
- Wenn du dich selbst reflektieren möchtest, um zu verstehen, wie du das Verhalten deines Hundes beeinflusst.
- Wenn deine eigenen Versuche bisher gescheitert sind und du unsicher bist, wie du weiter vorgehen sollst.
- Wenn du bereits Hundeschulen besucht hast, aber entweder die Methode nicht zu dir und deinem Hund passt oder sich das Verhalten verschlechtert statt gebessert hat.
- Wenn deine eigene innere Haltung dir im Alltag im Weg steht – sie überträgt sich in jedem Fall auf deinen Hund.
- Wenn das Verhalten deines Hundes problematisch oder sogar gefährlich für dich oder andere wird
7. Meine persönliche Inspiration für dich
Die Entscheidung, einen erwachsenen Hund aufzunehmen, bringt sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich.
Einerseits hast du einen Hund, der die turbulente Pubertät hinter sich hat und in der Regel ruhiger und stabiler ist. Andererseits hat er schon eine Vielzahl an Erfahrungen gemacht, die seine Verhaltensweise und seine Reaktionen prägen können.
Als Halter ist es entscheidend, sich bewusst zu machen, wie man seinen Hund am besten unterstützen kann – und dabei auch die eigene Rolle zu reflektieren. Diese Selbstreflexion ist für alle Hunde wichtig, besonders aber bei erwachsenen Tieren, da die Prägungen aus seiner Biografie und vor allem aus der Pubertät oft tief verwurzelt sind. Sie können entweder eine Hilfe oder eine Herausforderung darstellen.
Falls du dir unsicher bist, ob die Entscheidung für einen erwachsenen Hund die richtige war, biete ich eine Beratung vor dem Kauf an. Befindet sich dein Hund bereits in der Eingewöhnungsphase oder hat er sich schon eingelebt, aber du brauchst Unterstützung, schau dir gerne meine Angebote zum Thema Hundehalter-Coaching an.